ZUM TEXT
Durch die Aufteilung eines Kreises in 28 Teile entstehen zwei Zyklen: sieben mal vier und vier mal sieben. Für die Vier stehen die vier Jahreszeiten. Dadurch ergibt sich ein Diagramm, in dem sich Frühling, Herbst, Sommer und Winter polyrhythmisch überlagern. Es bilden sich 28 Jahreszeitenkombinationen: Frühling-Frühling, Frühling-Herbst, Frühling-Sommer, Frühling-Winter und so weiter … bis Winter-Winter. Diesen Kombinationen haben wir improvisatorisch-spielerisch Worte und Sätze aus dem Textmaterial unserer drei Gedichte zugeordnet. Entstanden sind 28 Miniaturen, poetische Wortkompositionen, Wortfügungen, die sich zu unserer eigenen Verwunderung zu eigenwilligen und abenteuerlichen Liebesgedichten verdichtet haben. Die einzelnen Textfetzen und Worte leuchten zyklisch auf, wie die Farben und Lichter des sich drehenden Karussells.
Wir hören gewissermassen dem Drehen des Karussells zu. Zuweilen ändert die Perspektive. Mal sind wir mitten im Kreisen, mal stehen wir ausserhalb des Geschehens.
Es gibt zwei Protagonisten: Hil und Nars, die beiden Helden unserer vorherigen Produktion HILNARS ODE sitzen auf einem Pferd und einem Nashorn und drehen sich mit Worten und Musik auf dem Karussell, das die Welt bedeutet.
Zwei Beispiele aus der Spielfassung:
MINIATUR 1 (Frühling-Frühling)
Frühling
Frühling
vibriert
ein Anfang
vibriert
im Frühling
vibriert
ein Anfang
auf einer Scheibe
die Welt auf einer Scheibe
vibriert
ein Anfang
im Frühling
die Welt
im Frühling
im Frühling
vibriert
die Welt auf einer Scheibe
vibriert
auf einer Scheibe
ich sitz darauf
MINIATUR 26 (Winter-Herbst)
schnee
mond
ich
du
ich
im winter
ich im schnee
du
im herbst
du - der mond
schnee und mond
ich und du
ZUR MUSIK
Das musikalische Grundmaterial ist der Kreistanz "Dschira-dschira" (ital. drehen-drehen) von Livio Andreina. Ableitungen, Zitate, frei gestaltete Variationen dieser Grundmelodie bilden das kompositorische Vokabular.
Die Musik umspielt den Klang des Wortes und den Fluss der Sprache. Sie verstärkt die Form des Textes, schafft Räume für das Wort und steht zuweilen auch ganz für sich. Diese Klangwelt, in differenzierten Variationen und stets wiederkehrend, kreist gleich einer wilden Karussellfahrt.
Es entsteht ein inniger Dialog zwischen Wort und Musik.
Der mit dem Leben des Menschen tief verbundene Atemzyklus findet Ausdruck in den luftigen Klängen der Orgelpfeifen. Als Strukturpunkte und stetig wiederkehrende Ereignisse symbolisieren sie mitunter auch den Atem des Stückes selbst.
Ein Beispiel einer Ableitung der Grundmelodie:
Aus diesen Ableitungen (Stauchungen und Streckungen) entstehen im Weiteren neue Strukturklänge für die Komposition. Damit verhält sich der Umgang mit dem musikalischen Vokabular ähnlich dem der Behandlung der Wort-Sprache. Auch die Musik erhält auf diese immer wieder aufleuchtenden Strukturbezüge eine in sich kreisende Bewegung.